Freitag, September 29, 2006





Qufu/Taishan

Entgegen aller Vermutungen sind wir nicht den ganzen Tag faul und liegen am Strand, Essen oder lassen uns bei Massagen verwöhnen. Nein wir sind auch total sportlich. Um unsere Sportlichkeit unter Beweis zu stellen, entschlossen wir uns am letzten Wochenende den Mount Taishan zu besteigen.

Dieser ist 1500m hoch und der meistbestiegenste Berg der Welt. Auf dem Gipfel hat man einen wunderschönen Ausblick über das Umland und man kann einen fantastischen Sonnenaufgang erleben – daher planten wir den Taishan nachts zu besteigen, um 6 Uhr morgens den Sonnenaufgang zu erleben.

Bis hierher der Plan, aber China wäre nicht China und Heni und Julia nicht Heni und Julia, wenn ein einziges Mal ein Plan umgesetzt werden würde. Aber dazu später.

Erst einmal fuhren wir inklusive den anderen 30 Studenten 6 Stunden mit dem Bus nach Qufu, um Konfuzius Grabstätte und Tempel zu besichtigen. Wir hatten euch ja bereits die Hupen-Problematik der chinesischen Taxifahrer beschrieben. Ihr glaubt chinesische Busfahrer würden sich anders verhalten? Weit gefehlt. Wir mussten leider feststellen, dass man in China auch Außerorts die Hupe als Überholsignal benutzt. Man stelle sich also einen Bus mit 30 sehr müden Studenten vor und einem Busfahrer der jedem Auto, LKW, Fahrrad oder sei es nur ein Sackkarren netterweise alle 5 bis 15 Sekunden anzeigen muss, dass er nun überholen wird. Erwähnten wir eigentlich, dass die Busfahrt 6 Stunden dauerte?

Nun war unser Busfahrer, den wir auf Grund des Modells seines Gefährtes „King Long“ tauften, auch noch ein Fan extrem schlechten Technos, so wurde die der ohrenbetäubende Sound der Hupe (übrigens hatte diese zwei Stimmlagen) also noch mit sehr lautem und gräßlichen Techno gepaart. Stellt euch einfach mal Kylie Minogues „Can´t get you out of my head“ oder Queens „We will rock you“ vom einem 5jährigen gesungen als Technoversion vor – ein Traum aller erster Güte.

Nach 6 langen Stunden und am Ende einer doch sehr spannungsgeladenen agressiven Stimmung kamen wir in Taishan.

Unsere chinesischen Führerin, die zum Glück englisch sprach, erzählte uns dann in 10 Dezibel Lautstärke, was wir denn nun gerade besichtigten. Ende vom Lied war, dass 29 der 30 Leute nichts verstanden. So waren wir gezwungen uns selber Geschichten zu den einzelnen Tempeln etc. auszudenken.

Gruß an dieser Stelle an Thommy und Marc, die total begeistert von unseren Rudi Assauer und Schalkegeschichten waren, uns wie gebannt die ganzen zwei Stunden zuhörten und mit ihren zahlreichen intelligenten Nachfragen ihr Interesse zeigten.

Die Konfuzius-Stätten waren wirklich sehr schön anzusehen, leider wissen wir bis heute wenig über die Geschichte.

Aber das größte Abenteuer stand uns ja noch bevor, die Erklimmung des Taishan. So brachen wir also um 21 Uhr bestens ausgerüstet auf. Aber wie bereits oben erwähnt, wäre China nicht China, wenn nicht irgendwo ein Haken wäre. Dieser offenbarte sich uns in Form von Stufen, leider waren die 1500m komplett mit Treppen bestückt und glaubt uns die sind weitaus schwerer zu besteigen, als wenn man in den Alpen wandert. Zumal die Stufen jahrealt sind und demnach nie gleichmäßig hoch oder gerade.

Die erste Stunde waren wir noch alle bester Laune, wanderten nebeneinander her und erzählten Anekdoten oder spielten Rätselraten. Je vorgeschrittener die Stunden und je höher der Berg, desto mehr Stimmen verstummten und die ehemals gebündelte Gruppe zog sich immer mehr auseinander.

Ich glaube wir können für die gesamte Gruppe sprechen, wenn wir sagen, dass wir noch nie in unserem Leben so geschwitzt haben, wie auf dem Taishan. Wir waren durchgeweicht bis auf die Unterhose, bei gleichzeitigen frieren bei gefühlten 5 Grad.

Jeglicher Ansatz von Cellulitis wäre nach diesem Aufstieg eine Farce, unsere Oberschenkel und sämtliche Gliedmaßen taten uns dermaßen weh vom Stufenklettern, dass wir jetzt eigentlich mit den knackigsten Hintern der ganzen Welt ausgestattet sein müssten. Naja sind wir nun leider nicht.

Angegeben war die Wanderzeit für Durchschnittssportler mit 4 bis 5 Stunden und an dieser Stelle müssen wir uns wirklich mal selbst loben, wir schafften es in 3 ½ Stunden und waren um halb 1 am Gipfel.

Blieben also noch 5 Stunden bis zum atemberaubenden Sonnenaufgang, die wir uns mit einer Art Wachschlaf vertrieben.

Um 5 wanderten wir dann die 20 min. zum Aussichtspunkt hoch. Da es regnete kauften wir uns noch für 5 Yuan (50 cent) ein kondomähnliches Regencape. Wir sahen so gut aus. Wir warteten gebannt auf den Sonnenaufgang – der nicht kam. Klar ging die Sonne auf, es war allerdings so diesig und regnerisch, dass von einem romantischen Aufgang keine Spur zu sehen war.

Wir also wieder runter zur Seilbahn (ja die hätte man auch hochnehmen können, aber wir sind ja ehrgeizig) um nach Hause zu fahren. Nach einer halben Stunde Warten in der eisigen Kälte um 7 Uhr morgens ohne Schlaf durften wir dann einsteigen. Nun sind wir ja beide sehr ängstlich was Höhen angeht und konnten die Aussicht 100m unter uns auf die Landschaft udn die Treppen, die wir vorher bezwungen hatten, nicht wirklich genießen.

Im Bus traten wir dann unsere Rückreise an und ihr könnt uns glauben, dass wir nach 24 Stunden ohne Schlaf, keine Diskussionen über Technomusik zuliesen, die blieb diesmal aus.

Alles in allem hat es sich trotz der Anstrengungen wirklich gelohnt. Einen kleinen Nebeneffekt hat das ganze auch noch: Wir werden 100 Jahre alt.

Das zumindestens ist laut den Chinesen der Lohn dafür, dass man den Taishan bezwungen hat.